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Biotopvernetzung

Umsetzung von Biotopvernetzungskonzepten

Der Erfolg von Biotopvernetzungskonzepten hängt entscheidend vom Engagement und der Beteiligung der  Bürgerinnen und Bürger, insbesondere aber auch der Gemeindegremien und der Gemeindeverwaltung ab.

In der Umsetzungs-, möglichst aber schon in der Planungsphase eines Biotopvernetzungkonzepts ist besonderes Augenmerk darauf zu legen, die BewirtschafterInnen der zumeist landwirtschaftlich genutzten Flächen für die Biotopvernetzungs-Maßnahmen zu gewinnen.  Zwar erhalten die BewirtschafterInnen für Mehrarbeit oder entgangene Erträge Ausgleichszahlungen aus den Förderprogrammen MEKA oder LPR, die Zustimmung zu den Maßnahmen und die langfristige Beibehaltung ist jedoch vollkommen freiwillig.

Wie KAULE / ENDRUWEIT / WEINSCHENK (1994), RIESCH (1992) und ALLB BIBERACH (1997) aufzeigen, ist Erfolg oder Misserfolg eines Verfahrens nicht zuletzt von den zwischenmenschlichen Rahmenbedingungen zwischen GemeindevertreterInnen, PlanerInnen und BewirtschafterInnen abhängig.  Damit knappe Fördermittel im Einzelfall nicht wirkungslos verpuffen, sondern Umsetzungserfolge erzielt werden, darf der Bereich der Kommunikation und Kooperation im Verfahren der Biotopvernetzung daher nicht vernachlässigt werden. Nachfolgend in Kernaussagen zitierte Ergebnisse aus KAULE / ENDRUWEIT / WEINSCHENK (1994) zur Biotopvernetzungskonzeption Herbrechtingen machen dies deutlich: 

Im Rahmen eines Erprobungs- und Entwicklungsvorhabens im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit wurden für unterschiedliche Modellgebiete Wege erprobt, die Ausrichtung agrarischer Maßnahmen (darunter auch der Flächenextensivierung im Rahmen der Biotopvernetzung) auf Ziele des Umwelt- und Naturschutzes mittels landschaftsplanerischer Instrumente zu erreichen. Dazu zählte unter anderem die Gemeinde Herbrechtingen. 

Beispiel: Verlauf des Verfahrens Herbrechtingen vor Beginn der Untersuchung 

Die Biotopvernetzungskonzeption wurde durch den Landkreis Heidenheim 1989 im Rahmen eines Forschungsprojektes initiiert. Die Zielaussagen dieser als fachlich anspruchsvoll und dennoch pragmatisch beschriebenen Planung unterscheiden in: 

  • Maßnahmen zur Fortführung bisher schon extensiver Nutzungsweisen und Pflegemaßnahmen sowie 
  • Maßnahmen der Nutzungsextensivierung auf bisher intensiv genutzten Flächen mit hoher Empfindlichkeit in Bezug auf Arteninventar oder Grundwasserschutz. 

Zur Umsetzung der Planung wurde ein Arbeitskreis gegründet. Ziel des von den mit der Planung Beauftragten  organisierten Arbeitskreises war die parzellenscharfe Konkretisierung der Maßnahmen innerhalb der einzelnen Vertiefungsgebiete durch Kontaktaufnahme mit den Grundeigentümerinnen und Grundeigentümern und Klären von Fördermodalitäten. Dieser Arbeitskreis tagte zweimal, ohne wesentliche Fortschritte zu erreichen. Als die mit der Planung Beauftragten erkannten, dass die Unterstützung des Konzeptes durch die Gemeinde gering war, zogen sie sich aus dem Projekt zurück. 

Im Rahmen der Untersuchung wurden für das Verfahren Herbrechtingen beispielhaft die Gründe des Scheiterns ermittelt und neue Wege zu seiner „Wiederbelebung“ erprobt. Wie sich rasch zeigte, waren Probleme der Kommunikation, verbunden mit falschen Einschätzungen und emotionalen „Altlasten“ bei den verschiedenen Beteiligten, die Hauptursache für das Scheitern des Verfahrens. 

  • Eine Befragung im März 1990 ergab, dass es der Biotopvernetzung Herbrechtingen in erster Linie an Unterstützung durch die Gemeinde mangelte.
  • Im Verlauf eines Sondierungsgesprächs der Begleitforscher lehnte der Bürgermeister die Zuständigkeit der Gemeinde für die Umsetzung von Biotopvernetzungen ab.
  • Zudem überwog der Eindruck der Ablehnung und tiefen Verbitterung seitens der damals anwesenden Landwirte.
  • Es wurde deutlich, dass die beiden Arbeitskreistermine nicht die erwünschte Klärung gebracht hatten und dass sowohl der Gemeinderat als auch die Landwirte nicht ausreichend über die Ziele der Biotopvernetzung informiert waren. 

Dazu zwei Aussagen von Beteiligten:

„Was fehlt, ist eine Öffentlichkeitsrunde, um die Biotopvernetzung dem Gemeinderat bekannt zu machen. Im Arbeitskreis wurde den Landwirten was vorgetragen, was wissenschaftlich und teilweise auf lateinisch begründet war; da werden die Bauern skeptisch und sind überfordert, sie fühlen sich nicht gleichwertig und nicht angehört“. (Mitglied der Gemeindeverwaltung).

„Nur sehr wenige Landwirte wissen, was geplant ist. Es kamen auch nur zwei Landwirte zum Arbeitskreis, denn der begann um 18 Uhr - eine unmögliche Zeit für die meisten von uns. Wenn man Landwirte einbinden will, muss man sie informieren, was wie geplant ist und ob sie betroffen sind.“ (Ein Landwirt).

Ansätze zur Lösung der Probleme:

  • Kernpunkt der Problem- und Zielanalyse der Untersuchung war die Haltung der Gemeinde, die keine kommunale Zuständigkeit anerkannte und zahlreiche ungeklärte Zuständigkeiten zwischen beteiligten Behörden.
    • Um einen „Akzeptanzschub“ zu erreichen, wurden (im Rahmen der Untersuchung) eine Reihe von Gesprächen mit beteiligten BehördenvertreterInnen geführt. Ein zwischenbehördlicher Arbeitskreis entstand: Der dabei entstandene Konsens war ein erster Schritt zur Wiederbelebung der Biotopvernetzung. Hierbei wurden Informationen verarbeitet, die für die gesamte Akzeptanzfrage seitens der Landwirte entscheidend waren:
  • Offenbar war ein großer Teil der Herbrechtinger Landwirtinnen und Landwirte aufgrund einer sich über Jahre hinschleppenden Unternehmensflurbereinigung zum Autobahnbau sehr verbittert und im Hinblick auf zusätzliche Maßnahmen nicht ansprechbar.
    • Für von dieser Flurbereinigung nicht betroffene Landwirte auf einer Teilgemarkung konnte daraufhin eine eigenständige Umsetzungsstrategie entwickelt werden. Erst nach der Realisierung positiver Beispiele sollten dann Maßnahmen an die Landwirte in den anderen Teilorten herangetragen werden. Die Vorgehensweise richtete sich damit nach der emotionalen Vorbelastung der Landwirte und sprach eine weniger belastete Zielgruppe innerhalb der Landwirtschaft an.
  • Der Gemeinderat und der Bürgermeister waren der Meinung, dass vor allem die betroffenen Landwirtinnen und Landwirte gegen die Umsetzung der Biotopvernetzung wären und wollten abwarten. 
    • Eine zwischenzeitlich angeregte Informationsfahrt des Herbrechtinger Gemeinderats in die (zu dieser Zeit ebenfalls in einer derartigen Untersuchung befindliche) Gemeinde Stephanskirchen bewirkte eine Wende in den Einstellungen der Gemeinderäte.
Weiterer Verlauf und Wirkung der erprobten Lösungsansätze

Nachdem die Gemeinde ihre Zuständigkeit für die Trägerschaft und Koordination der Umsetzung der Biotopvernetzung anerkannt hatte, war das erste wesentliche Projektziel erreicht. 

  • Insgesamt konzentrierten sich die weiteren Umsetzungsbemühungen gegenüber den Landwirtinnen und Landwirte nun auf Information und Vermittlung und erzielten sichtbare Erfolge.
  • Als hilfreich erwies sich auch eine weitere Informationsfahrt nach Stephanskirchen, zu der diesmal Landwirtinnen und Landwirte eingeladen wurden. Diese bot den Teilnehmenden die Möglichkeit, mit den bereits erfahreneren Stephanskirchener Landwirtinnen und Landwirten persönlich zu sprechen.
  • Nach der Informationsfahrt wurden nochmals einzelbetriebliche Beratungsgespräche geführt, die innerhalb weniger Wochen die Umsetzung mehrerer Kilometer linearer Weg- und Ackerrandbiotope sowie auf etwa 30 Hektar eine Extensivierung von Ackerland erlaubten. 
Notwendigkeit verbesserter Kommunikation und Kooperation

Kommunikation erfordert Aufwand an Zeit und Ressourcen. Wo die entsprechenden Mittel nicht verfügbar sind, erfolgt Kommunikation oft in der einfachsten Weise von oben nach unten. Missverständnisse und Meinungsverschiedenheiten sind auf diese Weise schwer auszuräumen und belasten den weiteren Fortgang des Verfahrens.

Der Bereich des Austauschs von Interessen und Meinungen soll deshalb in der Umsetzung der Biotopvernetzung zukünftig, neben der reinen Wissensvermittlung, größere Priorität erhalten. Auch die Art und Weise des Austauschs ist dabei entscheidend. So bietet die frühzeitige Einrichtung von Arbeitskreisen, möglicherweise bereits zur Vorbereitung des Verfahrens, gute Möglichkeiten des Informationsaustauschs und der Abstimmung für alle Beteiligten. Im gemeinsamen „Miteinander“ können Erwartungen, Probleme und Vorstellungen der einzelnen Beteiligten besprochen, aufeinander abgestimmt und konsensfähige Ziele formuliert werden.

Auch muss das Verhältnis Planung / Realisierung bei der Biotopvernetzung neu überdacht und abgestimmt werden. Wie die Untersuchung belegt, ist es gerade im landschaftsplanerischen Themenbereich nicht sinnvoll, eine strikte Trennung von Planung und Realisierung einzuhalten, wie dies oft geschieht, da „landschaftsplanerischer Fachverstand in allen Projektphasen und nicht nur während der Projektierung im Vorfeld der Umsetzung notwendig ist“. Angestrebt wird statt dessen eine stärkere Durchmischung von Planungs- und Umsetzungsphase unter intensiverer Mitwirkung/Austausch aller Beteiligter.

Die aufgezeigten Maßnahmen steigern die Umsetzungschancen der Biotopvernetzung, gleichzeitig wird einer Verhärtung der Fronten vorgebeugt, die ohne parallele Umsetzungs- und Beteiligungsaktivitäten oft die Folge ist. Die beschriebenen Maßnahmen finden ihren Platz daher in einer entsprechend kommunikationsgeprägten Umsetzung der Biotopvernetzung selbst, aber auch im größeren Rahmen einer Biotopvernetzung als Teilziel einer Flurneuordnung bis hin zur Umsetzung als Bestandteil eines Lokalen Agenda- 21- Prozesses, in den die ganze Gemeinde eingebunden ist. 

Das Beispiel Herbrechtingen macht aber auch deutlich, welcher Bedarf gerade im Verfahren der Biotopvernetzung mit seinen komplexen, schwer darstellbaren Zusammenhängen im Bereich der Wissens- und Informationsvermittlung, der Kommunikation und des „Miteinanders“ im Umgang mit Verfahrensbeteiligten besteht. Dies gilt auch für praktische Maßnahmen zur Durchführung der Biotopvernetzung, wie z.B. Neupflanzungen, Anlage von Ackerrandstreifen, Biotopgestaltung u.a.. Auch in diesem Punkt sind die Beteiligten oft auf fachliche Unterstützung angewiesen. Hier gilt es, zukünftig Akzente zu setzen, indem dieser Bereich des Verfahrens der Biotopvernetzung gestärkt und die erforderliche personelle und fachliche Unterstützung angeboten wird. In der Regel kann dies nicht alleine von der Verwaltung geleistet werden. Dazu sind zusätzliche Leistungen des jeweiligen Planers oder einer eigens dafür eingesetzten Person (Moderator) erforderlich, die zukünftig bei der Kostenkalkulation zu berücksichtigen sind.

Zur Umsetzung agrarstruktureller und ökologischer Erfordernisse sind bodenordnerische Maßnahmen oft hilfreich. Die Flurneuordnung bietet das rechtliche und organisatorische Instrument, Bodenordnung zum Zweck der Biotopvernetzung durchzuführen. In einem flächendeckenden, weiträumigen, von bestehenden Eigentumsgrenzen unabhängigen Gesamtkonzept bieten sich optimale Voraussetzungen für eine Umsetzung und langfristige Sicherung der Biotopvernetzungsmaßnahmen.

Schon in der Vergangenheit wurden in Flurneuordnungsverfahren für Maßnahmen zur Biotopvernetzung Mittel in erheblichem Umfang eingesetzt.

In vielen laufenden Verfahren werden Biotopvernetzungskonzepte vor und nach der Aufstellung des Wege- und Gewässerplanes erstellt und erfahren dadurch eine weitgehende Umsetzungsgarantie. Ziel ist jedoch, grundsätzlich in allen Flurneuordnungen ein Biotopvernetzungskonzept mit der Neugestaltungsplanung zu entwickeln. Ebenso könnte in Zukunft eine geplante Biotopvernetzung Anlass für ein Flurneuordnungsverfahren sein

(teilweise geändert nach: ENTWURF EVALUIERUNG VON PROGRAMMEN NACH DER VERORDNUNG (EWG) NR. 2078/92 DES RATES VOM 30. JUNI 1992 FÜR UMWELTGERECHTE UND DEN NATÜRLICHEN LEBENSRAUM SCHÜTZENDE LANDWIRTSCHAFTLICHE PRODUKTIONSVERFAHREN IN BADEN WÜRTTEMBERG, TEIL II LANDSCHAFTSPFLEGERICHTLINIE (LPR) (VERTRAGSNATURSCHUTZ), 1992-1997 BERICHT, KOORDINIERUNG: B. KRAUß, LEL, LFU, STAND: 10.04.2000, 9:24).

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