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Phosphorige Säure und Salicylsäure – eine Alternative zu der Anwendung von Kupfer im ökologischen Weinbau?

Kupfer ist ein Wirkstoff, der gegen den aus Nordamerika eingeschleppten Erreger der Rebenperonospora seit mehr als 100 Jahren im Einsatz ist (Claus, 1979). Kupferpräparate haben günstige Nebenwirkungen, z. B. eine Minderung der Anfälligkeit für Infektionen des Fäulniserregers Botrytis cinerea (siehe z. B. Bisiach et al, 1986). Da Kupferrückstände praktisch quantitativ während der Gärung als Sulfide ausgefällt werden (Lemperle, 1985), sind diese Rückstände unproblematisch und trotz relativ langer Wirkungsdauer im Weinbau deshalb kurze Wartezeiten möglich. Kupferrückstände können durch ihre Sulfidbindung außerdem dazu beitragen, dass Fehlaromen durch unerwünschte Schwefelverbindungen seltener auftreten (Weiss, 1991). Präparate mit Kupferoxichlorid als Wirkstoff schonen die meisten Nützlinge, insbesondere die im Weinbau wichtige Raubmilbenart Thyphlodromus pyri (Schruft et al., 1990). Kupfer reichert sich in Böden jedoch an, da der Entzug durch die Reben im Verhältnis zum Kupfereintrag durch Pflanzenschutzmaßnahmen keine Rolle spielt. In alten Weinbergsböden wurden deshalb extrem überhöhte Kupfergehalte festgestellt (Gärtel, 1985). Reben sind zwar gegenüber Kupfer im Boden sehr tolerant (Gärtel, 1985), andere Organismen, z. B. Regenwürmer, werden aber geschädigt (Schwab, 1987). Aus ökologischer Sicht muss deshalb der Kupfereintrag unbedingt minimiert werden. Im ökologischen Anbau sind Kupferanwendungen nach dem derzeitigen Stand der EU-VO 2092/91 bis zum 31.03.2002 zulässig. In Deutschland enden die Zulassungen aller Kupferpräparate Ende des Jahres 2000. Eine Wiederzulassung der Kupferpräparate ist wegen der Anreicherung im Boden und anderer ökologischer Probleme zumindest fraglich.

Phosphorige Säure ist das eigentlich wirksame Abbauprodukt des Pflanzenschutzmittelwirkstoffs Aluminiumphosethyl, der im Präparat Mikal MZ enthalten ist. In Deutschland ist außerdem ein Pflanzenstärkungsmittel (Ökofluid-P) auf dem Markt, das Phosphorige Säure enthält. Die vom Hersteller empfohlene Anwendungskonzentration 1,5 %ig entspricht einer 0,1 % Anwendung von Phosphoriger Säure. Nach der derzeit gültigen Rechtsauffassung ist dieses Pflanzenstärkungsmittel nach der EU-Öko-Verordnung 2092/91 zulässig, da die Anwendung von Pflanzenstärkungsmitteln von dieser Verordnung nicht geregelt ist. Nach den Richtlinien der Verbände der AGÖL ist jedoch die Anwendung eines solchen Mittels derzeit nicht erlaubt.

Salicylsäure, eine chemisch einfach aufgebaute Phenolcarbonsäure, ist eine Natursubstanz, die in verschiedenen Pflanzen in unterschiedlichen Konzentrationen vorkommt. Besonders reich an Salicylsäure ist Weidenrinde. Weidenrinde ist als altes Mittel in der Humanmedizin bekannt und wirkt entzündungshemmend. Von dieser Natursubstanz abgeleitet wurde die Acetyl-Salicylsäure, die in vielen Schmerzmitteln enthalten ist. Salicylsäure dient den Pflanzen als wichtige Signalverbindung während der Etablierung der systemisch erworbenen Resistenz gegen verschiedene Pathogene. Entsprechende Reaktionen wurden auch bei der Rebe gefunden (Renault et al., 1996).

Ziel der Untersuchungen der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt in Weinsberg war es, zu prüfen, inwieweit phospshorige Säure und Salicylsäure gegebenenfalls auch in Kombinationen als Ersatz für Kupfer im ökologischen Anbau in Frage kommen kann. Nach Screening-Tests im Labor wurden im ökologischen Versuchsgut Burg Wildeck Freilandversuche zur Prüfung der Wirksamkeit, aber auch zum Rückstandsverhalten dieser Substanzen durchgeführt.

und Durchführung der Versuche

Im Jahr 1998 wurde im Versuchsgut Burg Wildeck bei der Rebsorte Spätburgunder ein Versuch angelegt, in dem Phosphorige Säure in den Konzentrationen 0,025 – 0,2 %, Salicylsäure 0,2 %ig auch in Kombinationen mit Mykosin und Kupfer sowie eine Kombination von Phosphoriger Säure und Salicylsäure geprüft wurde. Von den Varianten wurden Trauben und Mostproben gezogen und auch Weine ausgebaut und auf Rückstände von Phosphoriger Säure und Salicylsäure untersucht. Die Untersuchungen auf Phosphorige Säure wurden von der RCC Ltd. in Itingen (Schweiz) durchgeführt. Die Salicylsäurebestimmung übernahm das Labor für Rückstandsanalytik Bremen GmbH. Ausgewertet wurde außerdem an zwei Terminen im Juli und im September der Befall der Blätter und Trauben mit Peronospora. Alle Versuche wurden mit 4 Wiederholungen angelegt.

In einer amtlichen Mittelprüfung in Weinsberg wurde 1998 als Variante Salicylsäure 0,2 %ig mitgeprüft. Die Anwendung erfolgte in diesem Fall wöchentlich, die der Vergleichsmittel im Abstand von 14 Tagen.

Im Jahr 1999 wurde wieder ein Versuch auf Burg Wildeck in derselben Versuchsparzelle angelegt, in dem neben Kombinationen von Phosphoriger Säure mit Kupfer und Mykosin auch eine Variante geprüft wurde, in der Phosphorige Säure gezielt nach Infektionen eingesetzt wurde, die mit Hilfe eines Prognosesystems (Adcon-Anlage, PeroDiag-Programm) ermittelt wurden (14.06., 29.06., 06.07., 10.08.).

Ergebnisse der Bekämpfungsversuche

Das Jahr 1998 war gekennzeichnet durch extrem starke Peronospora-Primärinfektionen im Mai. Eine weitere massive Ausbreitung erfolgte Ende Juni und vor allen Dingen Ende Juli (siehe Abb. 1). In dem Versuch in Weinsberg reduzierten die 10 Anwendungen von Salicylsäure den Peronosporabefall zu Beginn der Epidemie recht deutlich. Gegen Ende des Jahres war der Befall der Trauben aber nur noch um ca. 40 %, der der Blätter um ca. 30 % reduziert (Abb. 2).

: Peronosporainfektionsindex 1998 berechnet
mit dem Programm PeroDiag, (ADDVANTAGE-Software).

Abb. 2:
Peronosporabefall Salicylsäureversuch 1998 in Weinsberg.

 

Der Peronosporapilz vernichtete in Burg Wildeck 1998 in den unbehandelten Parzellen mehr als 50 % des Traubengutes. Die Blätter waren zu fast 100 % befallen. Die Wirkung der Anwendung von Phosphoriger Säure zeigte eine klare Abhängigkeit von der gewählten Konzentration (Abb. 3). Eine Anwendung von 0,2 % konnte den Befall der Trauben fast vollständig verhindern. Bei einer Anwendung von 0,1 % Phosphoriger Säure war der Befall immerhin noch um fast 80 % reduziert. Eine frühe Erhebung an den Blättern zeigte nahezu identische Ergebnisse. Später, an den älteren Blättern, brach jedoch die Wirkung gegen Peronospora zusammen. An älteren Blättern ist die Wirkung von Phosphoriger Säure offensichtlich ungenügend. Konzentrationen niedriger als 0,1 % scheinen uninteressant zu sein. Eine Kombination einer sehr niedrigen Dosierung von Phosphoriger Säure (0,05 %) mit dem Zusatz von Salicylsäure ergab aber eine Reduktion des Befalls von mehr als 50 %. Allerdings ist bei dieser Kombination die Pflanzenverträglichkeit ungenügend. Die Oberfläche der Beeren wurde an einem Spritztermin bei heißer, trockener Witterung relativ stark geschädigt.

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Peronosporabefall im Versuch mit Phosphoriger Säure und Salicylsäure Burg Wildeck 1998.

Salicylsäure zeigte im Versuch in Burg Wildeck bei den frühen Auswertungen noch eine gewisse Wirkung. Gegen Ende des Jahres war allerdings kein signifikanter Unterschied zur Kontrolle mehr vorhanden. Auch in den Kombinationen mit Kupfer flüssig 450 FW (0,04 %) ergab sich keine Verbesserung der Wirkung durch den Zusatz von Salicylsäure. Die Anwendungen von Kupfer waren in diesem Fall ebenfalls völlig unzureichend. Labortests mit Salicylsäure ergaben, dass die Wirkung der Salicylsäure nach der Applikation nur recht kurz anhält. An einem der entscheidenden Infektionstermine erfolgt die Anwendung aller Prüfmittel 1 – 2 Tage nach massiven Infektionen am 25. und 26. Juni. In diesem Fall zeigte natürlich Kupfer und auch Salicylsäure keine Effekte, während Phosphorige Säure 0,1- und 0,2 %ig angewandt die Infektionen nahezu 100 %ig kurativ erfassen konnte.

Auch 1999 konnte Peronospora wieder relativ viele Primärinfektionen, allerdings nicht in dem Ausmaß wie 1998, verursachen. Eine Phase äußerst massiver Ausbreitung lief in der ersten Julihälfte ab (Abb. 4). Eine weitere massive Infektionsperiode war in der letzten Augustwoche festgestellt worden. Bei einer Auswertung Ende Juli (Abb. 5 und 6) war sowohl der Befall der Blätter als auch der Trauben in der Variante Phosphorige Säure 0,1 % um über 90 % reduziert. Ein ähnlich gutes Ergebnis wurde in der Variante erzielt, in der Phosphorige Säure gezielt nach festgestellten Infektionen eingesetzt worden war. Auch in der mit Salicylsäure gespritzten Variante war zu diesem Zeitpunkt der Befall deutlich reduziert. Der Zusatz von Salicylsäure zu Mykosin ergab zu diesem Zeitpunkt ebenfalls eine tendenzielle Verbesserung der Wirkung. Relativ gut war auch die Kombination einer sehr niedrigen Kupferaufwandmenge in Kombination mit Phosphoriger Säure und auch mit Salicylsäure. Bei einer Auswertung Mitte September war keine Wirkung der Salicylsäure mehr zu erkennen. Auch die Wirkung der Phosphorigen Säure an den Blättern war zu diesem späten Termin wieder, wie 1998, völlig unzureichend. Vom Wirkstoff Aluminium-Phosethyl, der rasch zur Phosphorigen Säure zerfällt, ist bekannt, dass die Wirksamkeit bei jungem Gewebe sehr gut, bei älterem Gewebe aber sehr schlecht ist. Der Spätbefall konnte durch die Anwendung von Mykosin oder Kupfer deutlich reduziert werden.

: Peronosporainfektionsindex 1999, berechnet mit dem Programm PeroDiag (ADDVANTAGE-Software).

Abb. 5:
Prüfung von Salicylsäure und Phosphoriger Säure in Kombination mit Kupfer und Mykosin Burg Wildeck 1999, Blattbefall im Juli.

Abb. 6:
Prüfung von Salicylsäure und Phosphoriger Säure in Kombination mit Kupfer und Mykosin Burg Wildeck 1999, Traubenbefall im Juli.

Ergebnisse der Rückstandsversuche

Die Rückstände an Salicylsäure der 1998 geernteten Trauben lagen alle in einem Bereich, der in anderen Obstarten von Natur aus vorkommt (Stör + Hermann 1975). Auch in der unbehandelten Kontrolle wurde im frischen Traubenmost ca. 1 mg/l Salicylsäure nachgewiesen. In Weinen aus unbehandelten Trauben wurden zum Teil ebenfalls bis zu 1 mg/l festgestellt. Ein ähnlicher Wert wurde im Wein der unbehandelten Parzelle festgestellt.

Die Rückstände an Phosphoriger Säure sind klar von der Aufwandmenge bei der Spritzung abhängig. Die Abbaurate in den Trauben ist relativ gering. Eine Höchstmenge für Phosphorige Säure im Wein existiert bisher nicht. Fachleute diskutieren zur Zeit über einen Wert von 100 mg/kg. Alle gefundenen Werte liegen klar darunter. Durch gezielte Anwendungen insbesondere in der Hauptwachstumsphase könnten die Rückstandswerte nochmals deutlich reduziert werden.

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Prüfung von Salicylsäure und Phosphoriger Säure in Kombination mit Kupfer und Mykosin Burg Wildeck 1999, Blattbefall im September.

Abb. 8:
Prüfung von Salicylsäure und Phosphoriger Säure in Kombination mit Kupfer und Mykosin Burg Wildeck 1999, Traubenbefall im September.

Abb. 9:
Rückstandswerte für Salicylsäure des Versuchsjahres 1998 (10 Anwendungen 0,2 %ig).

 

 

 

 

Abb. 10:
Rückstandswerte für Phosphorige Säure des Versuchsjahres 1998 (10 Anwendungen).

Abb. 11:
Rückstandswerte für Phosphorige Säure des Versuchsjahres 1999.

 

Fazit

Sowohl bei Salicylsäure als Naturstoff als auch bei Phosphoriger Säure als anorganischer Substanz mit relativ günstigem Umweltverhalten und geringer Toxizität wäre ein Antrag auf Aufnahme in den Anhang 2 der EU-Verordnung 2092/91 nicht aussichtslos. Phosphorige Säure hat den Vorteil, dass der Abbau relativ klar und eindeutig ist (zu Phosphat, einem Pflanzennährstoff).

In der Praxis dürfte die Anwendung von Salicylsäure alleine aufgrund des geringen Effekts uninteressant sein. In Frage kommt allenfalls ein Zusatz zu anderen Stoffen während der Hauptwachstumsphase. Phosphorige Säure oder Ökofluid-P wäre dagegen sehr interessant für einen gezielten Einsatz insbesondere in der Hauptwachstumsphase. Phosphorige Säure hat bei jungem, wachsendem Gewebe einen relativ starken, kurativen Effekt und kann deshalb auch gezielt kurz nach Infektionen zur Anwendung kommen. Der Neuzuwachs ist nach der Anwendung durch den systemischen Effekt gut geschützt. Eine Anwendung der Phosphorigen Säure nach Beendigung der Hauptwachstumsphase ist nicht mehr empfehlenswert, da in diesem Zeitraum die Wirkung ungenügend ist. In dieser Phase ist die Anwendung z. B. von Mykosin wirksamer. Eine Beschränkung der Anwendung auf spätestens Mitte Juli würde die Rückstandswerte außerdem deutlich senken.

Literatur

Bisiach, M.; G. Minervini und F. Zerbetto, 1986: Possible integrated control of grapevine sour rot. Vitis 25, 118 – 128.

Claus, D., 1979: 90 Jahre Kupferanwendung im Weinbau und immer noch Erkenntnislücken. Weinberg und Keller 26, 142 – 172.

Gärtel, W., 1985: Belastung von Weinbergsböden durch Kupfer. Berichte über Landwirtschaft (198. Sonderheft), 123 – 133.

Lemperle, E., 1985: Rückstandsverhalten kupferhaltiger Peronospora-Fungizide. Der Badische Winzer (6) 309, 312 – 313.

Kast, W. K.; M. Färber und F. Mamier, 1992: Untersuchungen über Wirkungen und Nebenwirkungen alternativer Präparate im Weinbau 1984 – 1991. Mitt. BBA 283, 305.

Renault, A.-S.; Deloire, A.; Bierne, J., 1996: Pathogenesis – related proteins in grapevines induced by salicylic acid and Botrytis cinerea. Vitis 35 (1), 49 – 52.

Schruft, G.; P. Wohlfarth und G. Wegner, 1990: Die Wirkung von Schwefel und Kupfer auf Raubmilben. Rebe und Wein 43, 142 – 143.

Schwab, H., 1987: Einfluss der Humuswirtschaft und der Schwermetallgehalte des Bodens auf Größe und artliche Zusammensetzung von Regenwurmpopulationen in Keuperweinbergen im Raum Stuttgart. Wein-Wissenschaft 42, 86 – 111.

Stör, H.; Hermann, K. (1975): Die phenolischen Inhaltsstoffe des Obstes. VI. Die phenolischen Inhaltsstoffe der Johannisbeeren, Stachelbeeren und Kulturheidelbeeren. Veränderungen der Phenolsäuren und Catechine während Wachstum und Reife von Schwarzen Johannisbeeren. Z. Lebensm. Unters.-Forsch. 159, 31 – 37.

Weiss, E., 1991: Kupferabschlussspritzung und Böckserbildung im Wein. Dt. Weinbaujahrbuch 43, 169 – 172.

Dr. Walter K. Kast
LVWO Weinsberg
E-Mail:
kast@lvwo.bwl.de

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