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Maßnahmen zur Qualitätssicherung
trotz Frostschäden jetzt sinnvoll

überhangener Merlot im Juli 2002

R. Fox,
LVWO Weinsberg
E-Mail:
rudolf.fox@lvwo.bwl.de

Nach gutem Blüteverlauf, vielfach hoher Traubenzahl/Trieb sowie - bis auf Ausnahmen - ausreichender Wasserversorgung ist erneut verbreitet mit hohen Erträgen zu rechnen. Selbst in den Regionen mit stärkeren Frostschäden wird es deshalb aus Gründen der Qualitätssicherung nötig sein, in nicht vom Frost geschädigten, überhangenen Parzellen regulierend einzugreifen.

Wie aus Tabelle 1 hervorgeht, ist die Gescheins- bzw. Traubenzahl/Trieb in diesem Jahr ähnlich hoch wie im Mittel der ertragreichen 90er Jahre. Besonders die Sorten Trollinger, Schwarzriesling und Kerner haben einen hohen Fruchtansatz, wobei bereits an den stammnahen Trieben hohe Gescheinszahlen bei überdurchschnittlicher Gescheinsgröße ermittelt wurden. Der relativ gute Blüteverlauf dürfte über die hohe Kernzahl/Beere sowie die überdurchschnittliche Beerenzahl/Traube seinerseits zu hohen Einzeltraubengewichten führen.

Tabelle 1: Gescheinszahl/Trieb (1990-2002)

Sorte/Jahrgang

90

92

93

94

95

96

97

98

99

00

01

02

Mittel

Trollinger

1,19

1,66

0,97

1,11

1,28

1,22

1,11

1,38

1,39

1,47

1,41

1,38

1,30

Lemberger

1,71

1,75

1,60

1,62

1,67

1,64

1,31

1,89

1,92

1,92

1,81

1,77

1,72

Schwarzriesling

1,89

1,99

1,63

1,68

1,57

1,67

1,64

1,91

1,92

2,00

1,77

1,80

1,80

Riesling

2,17

2,32

2,25

2,23

2,21

2,22

2,12

2,47

2,26

2,46

2,22

2,15

2,26

Kerner

1,71

1,89

1,73

1,78

1,85

2,10

1,76

2,04

1,98

2,17

2,05

2,14

1,93

Müller-Thurgau

1,74

1,80

2,42

2,06

2,22

2,33

1,75

1,95

1,99

2,28

1,96

1,96

2,04

Dornfelder

-

-

-

-

-

-

-

-

1,78

1,79

1,83

1,69

1,77

Silvaner

-

-

1,81

1,99

1,86

1,73

1,87

1,99

2,1

2,29

1,96

1,89

1,95


Grundlagen für die Ermittlung des Ertragspotenzials

Eine wesentliche Grundlage ist die oben angeführte Traubenzahl sowie das zu erwartende Traubengewicht. Gerade letzteres hängt neben der Befruchtungsrate (Blüteverlauf) sehr wesentlich auch von der Vitalität (Bodenpflege, N-Düngung) der einzelnen Anlagen ab - siehe Abb. 1. Dass diesem Faktor sehr große Bedeutung zukommt, haben uns die vergangenen beiden Jahre überdeutlich gezeigt. Je nach Anschnittlänge und Standraum liegt z. B. die Traubenzahl auch in diesem Jahr bei Riesling nicht selten bei 40 - 50 Trauben/Stock oder bei Trollinger zwischen 20 und 30. Wer sich demnach nicht bereits beim Anschnitt etwas „zurückgehalten" hat, muss dementsprechend "stark eingreifen".

Abbildung 1: Bodenpflege- und N-Düngungsversuch bei Lemberger; Traubengewicht in Mittel der Jahre
                   1998-2001
                   (rechnerisch = kg/a / Gescheine/m² * 10)

Um die tatsächliche Traubenzahl/Stock bzw. m² im einzelnen Weinberg als Berechnungsgrundlage zu erlangen, ist eine Auszählung von ca. 20 Stöcken - verteilt auf die Fläche - unabdingbar. Werden z. B. bei einem Standraum von 2,5 m² (2,0 m x 1,25 m oder 1,8 m x 1,4 m) im Durchschnitt bei Riesling je Stock 45 Trauben ermittelt, so sind dies (45 : 2,5) 18 Trauben/m². Ausgehend von einem durchschnittlichen Gewicht von 120 g/Traube errechnet sich ein Potenzial von 2.160 g/m² oder 216 kg/a. Bei einem solchermaßen hohen Niveau muss demnach mindestens ein Drittel der Trauben entfernt werden, um den Höchstertrag von 140 kg/a einhalten zu können.

Bei Trollinger kann die Rechnung wie folgt aussehen:
16 Triebe/Stock mit durchschnittlich 1,4 Trauben ergibt 22 Trauben/Stock bzw. rund 9 Trauben/m². Bei 350 - 400 g/Traube ergibt sich ein Potenzial von 3.150 - 3.600 g/m² oder 315 -360 kg/a. Nachdem dieses Potenzial aufgrund mittleren bis langen Anschnittes (2 Ruten à 7 - 9 Augen) in manchen Anlagen keine Utopie, sondern Realität ist, muss entsprechend stark reduziert werden.

Bei dem in Franken angebautem Silvaner könnte die Rechnung wie folgt aussehen:
Standraum 1,8 m², 9 Triebe/Stock (5 Augen/m²) mit Ø 1,9 Trauben sind 9,5 Trauben/m². Bei lediglich 140 g/Traube wären dies bereits 1.330 g/m² bzw. 133 kg/a und damit für eine gute Weinqualität schon zu hoch.

Anlagen selbst einschätzen

Das zu erwartende Traubengewicht in der einzelnen Anlage hängt, wie bereits eingangs angeführt, sehr stark von der jeweiligen Befruchtungsrate ab (Tabelle 2). Sind die Beeren einheitlich groß, kann von einer hohen Kernzahl/Beere und damit großen Einzelbeeren ausgegangen werden. Ungleich große Beeren und lockere Trauben weisen dagegen auf stockweise oder auch parzellen-/sortenweise stärkere Verrieselung hin und erübrigen hier eine Ausdünnung.

Tabelle 2: Durchschnittliche Traubengewichte in g

Sorte

langj. Mittel

1992

1999

2000*

Schätzung 2002

Riesling

120

130

159

163

120 - 200

Kerner

150

180

177

240

160 - 220

Müller-Thurgau

150

200

217

235

170 - 250

Silvaner

140

150

160

202

120 - 200

Trollinger

über 300

350

467

447

350 - 480

Schwarzriesling

150

150

175

191

150 - 200

Lemberger

180

230

274

260

140 - 280

Spätburgunder
Klon Mariafeld

150

-

148

~ 150

130 - 180
z. T. deutlich höher

Samtrot

120

-

124

~ 140

120 - 160

Dornfelder

über 250

-

226

322

250 - 380

die Traubengewichte können je nach Vitalität der Rebanlage stark variieren

 junge, wüchsige sowie vorjährig ausgedünnte Bestände haben oft besonders hohe Traubengewichte

wo stark ausgedünnt wird, muss für die verbleibenden Trauben von den höheren Werten ausgegangen werden

* gesunde Trauben

In vorjährig oder gar mehrjährig nacheinander ausgedünnten Parzellen ist die Anzahl der Trauben/Trieb sowie insbesondere die Gescheins- bzw. spätere Traubengröße in der Regel wesentlich höher als in nicht regulierten Flächen. Hier muss über wuchsregulierende Maßnahmen wie leicht verminderte N-Düngung und insbesondere extensivere Bodenpflege für ein physiologisch ausgeglichenes Wachstum gesorgt werden. Die Ausdünnung ist hier eher verhaltener und vor allem später, d. h. erst beim Weichwerden, durchzuführen, um übermäßig kompakten Trauben entgegenzuwirken. Besonders, wenn auf 1 Traube/Trieb ausgedünnt werden soll, dürfen die Anlagen nicht zu üppig sein, um Fehlschläge wie in den vergangenen beiden Jahren mit ihrem hohen Botrytisdruck nicht Vorschub zu leisten. Kommt es gegen Ende August sowie Anfang September zu hohen Bodefeuchtewerten darf auf keinen Fall eine mechanische Bodenbearbeitung mit ihrem nochmals wuchsfördernden Effekt erfolgen. Generell sollten die mechanischen Bearbeitungsgänge bis ca. 15. August abgeschlossen werden, wobei kein zu intensiver und tiefgehender Eingriff erfolgen sollte. Wird bereits um den 5. - 10. August bearbeitet und in diese offenen Gassen eine Winterbegrünung eingesät, so kann diese einen entstehenden Nitratschub zumindest teilweise auffangen.

In Trockengebieten muss dagegen über besonders wasserschonende Bodenpflege oder gar Bewässerung zur Qualitätssicherung beigetragen werden. Jede Parzelle ist deshalb separat einzuschätzen und angepasst zu bewirtschaften, um eine möglichst harmonische Entwicklung sicher zu stellen.

Wo und wie reduzieren?

Aus pflanzenbaulicher Sicht bietet es sich an, vor allem dort Trauben zu entfernen, wo ein ungünstiges Blatt-/Fruchtverhältnis (BFV) vorliegt. Dies ist generell gegen Ende der Bogrebe der Fall, da dort sowohl die Traubenzahl als auch die Traubengröße/-gewicht gegenüber den stammnahen Trieben deutlich zunehmen. Besonders bei den Sorten mit überdurchschnittlich stark ansteigenden Traubenzahlen/-gewichten je Trieb gegen Bogenende wie Trollinger, Lemberger, Kerner und Müller-Thurgau wird das BFV zunehmend schlechter und der Mostgewichtsabfall stärker. Bei diesen „qualitätslabilen" Sorten ist deshalb gerade durch Ausdünnung in diesem Bereich einerseits mit stärkerer Ertragsreduktion sowie andererseits mit deutlich verbesserten Mostgewichten zu rechnen. In Verbindung mit Pendelbogen und mehr oder weniger vielen eingekürzten Trieben (BFV nochmals verschlechtert), bietet es sich teils deshalb bei diesen Sorten an, den vorderen Bogenteil ganz wegzuschneiden.

Bei Burgunderarten und Riesling mit ihrer gleichmäßigeren Fruchtbarkeit über die Bogrebe hinweg, ist auch das BFV in Richtung Bogenende weniger stark abfallend. Hier ist eher die Ausdünnung auf 2 oder auch 1 Traube/Trieb sinnvoll.

Werden einzelne Trauben entfernt, so sollten immer die jeweils oberen Trauben am Trieb, die in der Regel etwas später blühen und reifen, entfernt werden. Um eine ausreichende Ertragsreduktion zu erzielen, dürfen nicht nur die kleineren Trauben, sondern muss auch öfter mal eine größere Traube entfernt werden. Besonders hohe Qualitätsvorteile werden erzielt, wenn Trauben mit größerem Anteil an kleinen Beeren belassen und dafür besonders kompakte Trauben mit großen Beeren entfernt werden.

Bei Sorten mit großen, eher lockeren Trauben, ist auch die „Halbierung" der Trauben durchaus eine praktikable Möglichkeit. Wird die untere Hälfte oder auch ein größerer „Seitenast" entfernt, so ist die Traube "offener" und weniger botrytisgefährdet. Diese Methode ist bei gewissem Geschick auch mit der Heckenschere durchführbar und recht rationell. Um erhöhten Botrytisbefall infolge von Beerenverletzungen vorzulegen, muss dies rechtzeitig vor Reifebeginn erfolgen. Unsere Erfahrungen hierzu waren selbst bei nachfolgend ungünstiger Witterung gut.

Wie die Erfahrungen aus ertragreichen Jahren (z. B. 1999) gezeigt haben, ist nicht nur zur Qualitätssteigerung sowie Einhaltung der Hektarhöchstertragserträge eine Ertragsregulierung sinnvoll, sondern auch zur Sicherung der langfristigen Ertragsfähigkeit der Stöcke. Gerade in jungen Anlagen oder an überhangenen Einzelstöcken ist deshalb unabhängig von Sorte und erhoffter Auszahlung durch entsprechende Entlastung auf ausreichende Reservestoffeinlagerung durch Ertragsbegrenzung hinzuarbeiten. Dies sichert langfristig leistungsfähige Stöcke sowie die Gleichmäßigkeit der Anlagen. Gerade die in diesem Jahr verstärkt ab ca. Mitte Juni an einzelnen Stöcken aufgetretenen Chloroseerscheinungen deuten auf "angespannten" Energiestatus hin und zeigen das langfristige " Reaktionen" der Rebe einkalkuliert werden müssen.

Zeitraum der Ausdünnung

Nach den teils negativen Erfahrungen in 2000 und 2001 mit besonders kompakten Trauben nach Ausdünnung und noch mehr Botrytis und Essigfäulebefall, ist der Termin der Ausdünnung besonders in der Diskussion. Generell muss von durchschnittlichem Verlauf, was Witterung und Traubenentwicklung angeht, ausgegangen werden. Nachdem auch in diesem Jahr wider erwarten in der Regel ein hoher Befruchtungsgrad vorliegt, ist die Gefahr besonders dichtbeeriger Trauben wiederum recht groß . Hinzu kommen die verbreitet hohen Niederschläge vom 15.bis 20. Juli, die ihrerseits das Beerenwachstum fördern und bei Sorten mit kompackten Trauben (Riesling, Burgunderarten) wieder erhöhten Botrytisdruck aus dem Innern der Traube heraus erwarten lassen Wer derzeit (25. Juli)aufmerksam durch die Bestände geht kann schon erschreckend viele Botrytisnester finden. Die Gefahr, dass sich die Problematik der Frühbotrytis in diesem Jahr wiederholt ist demnach aus jetziger Sicht recht groß. Es ist deshalb als optimaler Termin zur Ausdünnung etwa der Zeitraum zwei Wochen vor dem Reifebeginn bzw. Verfärben der jeweiligen Sorte zu nennen - siehe Abb. 3. Dabei sollte gezielt auf botrytisbefallene Trauben geachtet und diese bevorzugt entfernt werden. Schwächer wachsende Bestände sowie besonders überhangene Bestände eher etwas früher. In wüchsigen Anlagen sowie bei Ausdünnung auf eine Traube/Trieb oder auch wenige Trauben/Stock kann bis kurz vor Reifebeginn zugewartet werden, damit die verbleibenden Trauben nicht zu groß werden. Werden ganze Bogenteile entfernt, ist ebenfalls ein etwas vorgezogener Termin sinnvoll, da der Mengenausgleich über die verbleibenden Trauben weniger ausgeprägt ist.

Abbildung 2: Ausdünnung bei Lemberger nach Reifebeginn

Aus arbeitswirtschaftlicher wie auch pflanzenbaulicher Sicht hat sich bei den Sorten mit hoher Fruchtbarkeit gegen Bogenende - siehe oben - das Einkürzen des Bogens als durchaus praktikabel erwiesen. Bei Riesling und den Burgunderarten ist dies zwar arbeitswirtschaftlich ebenfalls vorteilhaft, ergibt aber eine geringere Qualitätssteigerung.und lässt keine selektive Entfernung eventuell botrytisbefallener Trauben zu.

Bei Rotweinsorten hat sich die Nachkorrektur bei weitgehender Verfärbung durch Entfernung zurückgebliebener, noch grüner Trauben als günstige, qualitätssteigernde Maßnahme erwiesen. Hierbei lassen sich die qualitätsmindernden Anteile besonders gut erkennen und gezielt herausnehmen.

Wer stark ausdünnen sowie spät lesen will, ist gut beraten, wenn durch zeitige Auslichtung die Grundlage für gesundes Lesegut geschaffen wird. Im Wuchs ausgeglichene Bestände in den besten Lagen bieten die größten Chancen für Top-Qualitäten.

Schluss

Trotz lokaler Totalausfälle sind die Weingärtner und Winzer auch in diesem Jahr aufgerufen, durch gezielte Maßnahmen die "Natur" zu unterstützen. Dort, wo das "Wunder" des Fruchtansatzes "zu groß" war, muss unter dem Aspekt der Sicherung der Weinqualität sowie der Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Stöcke regulierend eingegriffen werden. Es gilt, durch gezieltes, überlegtes Vorgehen den gewünschten Erfolg zu sichern. Erfolg bringt Motivation für die Zukunft und diese muss bereits heute ins Visier genommen werden. Wer aufhört, besser werden zu wollen, hat aufgehört, gut zu sein.

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