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Physiologische Reaktionen der Rebe auf ein differenziertes Wasserangebot

R. Fox und Dr. D. Rupp
LVWO Weinsberg
E-Mail:
rudolf.fox@lvwo.bwl.de , dietmar.rupp@lvwo.bwl.de


Die enormen Traubengrößen verbunden mit starkem Botrytisbefall der letzten drei Jahre einerseits sowie die Trockenstressprobleme in den 90er-Jahren, ebenfalls verbunden mit Qualitätsmängeln andererseits, machen die große Bandbreite der Reaktion der Rebe auf unterschiedliches Wasserangebot deutlich. Ganz allgemein ist die Rebe von ihrer natürlichen Herkunft her an Trockenstress angepasst und kommt mit zeitweiligem Stress bezüglich Wasser und Nährstoffen recht gut zurecht. Ihre ausgeprägte Fähigkeit, durch die Ausbildung einer dicken Blattkutikula und einem rechtzeitigen Spaltöffnungsschluss mit verminderter Verdunstung auf Trockenheit zu reagieren, führt zu sehr sparsamem Umgang mit Wasser.

Bodentrockenheit reizt zum Wassersparen

In Abbildung 1 ist die Reaktion von Pflanzen auf Wassermangel schematisch dargestellt. Untersuchungen von Düring ergaben, dass sich die Rebe bereits bei partieller Austrocknung - obere Bodenschichten oder in der Dauerbegrünungsgasse - sehr rasch auf sparsamen Umgang mit Wasser umstellt. So ist es aus Wasserersparnisgründen auch gut nachvollziehbar, wenn in Australien mit dem System der partiellen Wurzelzonenaustrocknung gearbeitet wird. Der Stoffwechsel der Rebe wird dadurch weniger in Richtung vegetatives Wachstum als vielmehr in Richtung besserer Versorgung der generativen Organe gelenkt.

Abbildung 1: Schematische Darstellung einer ausgewählten Reaktion von Pflanzen auf Wassermangel im Boden


Dass die Rebe unter Stressbedingungen mit nachlassender Wurzelspitzenbildung reagiert - wie Untersuchungen von Mohr ergaben,  z. B. bei Dauerbegrünung wesentlich weniger als in offenen Gassen oder im bewuchsfrei gehaltenen Unterstockstreifenbereich - ist wichtig zu wissen und zeigt die Problematik von extremem Stress auf. Andererseits hat die Rebe ein enormes Regenerationsvermögen, wenn die Trockenschäden noch nicht zu weit fortgeschritten sind.

Wird bewässert so bilden sich insbesondere im Bereich der "Tropfzwiebel" unterhalb des Tropfers sehr rasch viele Wurzelspitzen, die den Wasser- und Nährstoffbedarf problemlos abdecken können.

Ähnlich ist dies bei geringen Niederschlägen in begrünten Anlagen. Die praktisch in Trockenstarre verharrenden Wurzelspitzen unmittelbar unter der Grasnarbe können bereits geringe Niederschläge von 4 - 6 mm verwerten, während in offenen Gassen die durch ständige Bearbeitung in tiefere Bodenschichten ausgewichenen Wurzeln diese nicht verwerten können, da das Wasser nur die oberen Zentimeter durchfeuchtet. Bei fortgeschrittener Trockenheit sollte deshalb die Dauerbegrünung auf keinen Fall umgebrochen werden, und offene Gassen sind lediglich flach zu bearbeiten. Dies ist in Trockengebieten auch langjährig erfolgreich geübte Praxis. Auch die oberirdische Regeneration, d. h. das Wiederanziehen des vegetativen Wachstums, ist bei früheren Bewässerungsterminen und höheren Wassergaben beachtlich und kann bei nachfolgend höheren Niederschlägen dazu führen, dass bereits frühzeitig bewässerte Flächen lange in der vegetativen Phase bleiben, später in die Reifephase übergehen, erst spät mit der Blattalterung beginnen und es somit letztlich zu Nachteilen kommt.

Sparsamer Umgang der Rebe mit Wasser bei moderatem Stress führt bei mehr oder weniger stark zurückgehendem vegetativem Wachstum nur zu einer relativ schwach abfallenden Gesamtassimilationsrate. Damit wird der Verbrauchsort vegetatives Wachstum (Holzproduktion) erheblich eingeschränkt und den generativen Organen, insbesondere den reifenden Trauben kommen mehr Assimilate für die Inhaltsstoffbildung zugute. Kommt es demnach bei deutlich gezügeltem Wachstum und anhaltendem mäßigem Wasserstress zu fortlaufend hoher Stoffproduktion, so kann von hoher Wassernutzungseffizienz gesprochen werden.

Umgekehrt führte die extrem hohe Wasser- und damit Nährstoffverfügbarkeit im Jahr 2002 zu großer vegetativer Leistung (Schnittholzmenge), gleichzeitig aber auch zu hohen Erträgen durch weit überdurchschnittliche Beeren- und Traubengrößen ( Abbildung 2). Wie aus dieser Darstellung hervorgeht, besteht ein enger Zusammenhang zwischen Holzleistung beziehungsweise der Vitalität und dem Traubengewicht.

Abbildung 2: Bodenpflege- und N-Düngungsversuch bei Lemberger - Traubengewicht und Schnittholzertrag 1998 - 2001


Wasserstress: wichtig ist der Zeitpunkt

Nachdem sich die Rebe während der Hauptbedarfsphasen für Wasser und Stickstoff im Juli, also ab etwa 2 Wochen nach der Blüte, in der Phase II, d. h. der sogenannten Zellteilungsphase der Beerenentwicklung befindet, wirkt sich der mehr oder weniger "auf Touren laufende Motor (Wasser + N)" sehr stark auf die Intensität der Zellteilung und späteren Zellgröße aus (Abbildung 3). Mäßig warme, ausreichend feuchte Sommerwitterung beschleunigt die Entwicklung in diesem Zeitraum und fördert die Zellengröße. Wasserstress in diesen Wochen führt dagegen zur Verlängerung der Phasendauer, zu geringerem Zellvolumen und damit zu geringeren Traubengewichten. Die Erfahrungen, nach denen sich auf Trockenstandorten sowie auf skelettreichen Böden geringere Erträge ergeben, unterstreichen diese Aussagen.

Abbildung 3: Phasen des Beerenwachstums und der Mostgewichtszunahme bei Trauben

 

Daher macht es Sinn wenn etwa in den Trockengebieten Australiens zur Ertrags- und Qualitätssteuerung im Nachblütebereich die Bewässerung gezielt unterlassen oder nur Gaben unterhalb des vermuteten Bedarfs verabreicht werden.
Für unsere Verhältnisse bedeutet dies, mit Zusatzbewässerung in dieser für die Mengenertragsbildung entscheidenden Phase größte Zurückhaltung zu üben.

In der Regel reicht der Wasservorrat eben für diesen auch in Bezug auf die Nährstoffe ersten Bedarfshöhepunkt völlig aus. Lediglich in sehr trockenen Jahren und auf extremen Standorten kann einmal mehr Knappheit als erwünscht eintreten. Dass dann praktisch jede Wassergabe auch in stärkerem Umfang der Ertragsbildung zugute kommt, versteht sich von selbst. Nachdem jedoch der Rebstock selbst bei extremem Stress in der frühen Nachblütephase stärker leidet und gegebenenfalls eine zu geringe Assimilationsfläche aufbaut, sind geringe Wassergaben zum Aufbau und der Erhaltung der Assimilationsfläche sowie fortlaufender Stoffproduktion angebracht. (Regulierte Mangelbewässerung: bewusst weniger als Verbrauch → Stress aufrechterhalten)

Die Gefahren zu hoher Wasserverfügbarkeit sowie von moderatem Wassermangel in der Nachblütephase sind in Übersicht 1 und 2 zusammengefasst.

Übersicht 1: Gefahren zu hoher Wasserverfügbarkeit in der Nachblütephase und im weiteren Vegetationsverlauf

Dichte, große Laubwände

Erhöhter Pilzdruck

Anhaltend hoher Wasserbedarf durch große Laubfläche

Gefahr von Qualitätsmängeln wenn später Wassermangel auftritt

Schlechtere Traubenbelichtung

Größere Beeren, besonders kompakte Trauben

Geringerer Schalenanteil

Höhere Menge, geringere Mostgewichte

Unreife, grasige Säure, mehr grüne Aromen

Weniger Aroma, Farbe, Phenole

Verzögerter Reifebeginn, verspätete physiologische Reife

Erhöhter Aufwand für Laubarbeiten und Rebschnitt



Übersicht 2: Moderater Wassermangel nach der Blüte ermöglicht

Begrenzte Laubfläche

Geringere Holzproduktion

Gute Belichtung von Blatt und Frucht

Hohe Wassernutzungseffizienz

Stoffproduktion zugunsten der generativen Organe

Kleinere Beeren

Verfrühung des Reifebeginns



Je weiter die Entwicklung der Beere fortschreitet (Phase III), umso geringer wird die Gefahr der Mengensteigerung durch Bewässerung (Abbildung 3). Nachdem jedoch Wassergaben während der Phase III bis in Phase IV nachwirken können und somit beim Weichwerden die Beerengröße beachtlich steigern können - siehe Jahrgang 2002 - ist weiterhin größte Zurückhaltung zu üben, um nicht ungewollt zur Mengensteigerung anstatt zur Qualitätsförderung beizutragen.
Die Auswirkungen extremen Wassermangels in der Reifephase gehen aus Übersicht 3 hervor.

Übersicht 3: Auswirkungen extremen Mangels in der Reifephase:

Vorzeitige Laubvergilbung, geminderte Stoffproduktion, Notreife

Geringerer Mengenertrag, besonders jedoch geringere Mostgewichte

Starker Mangel an Extrakten und Aminosäuren

Besonders bei Weißweinsorten Mangel an Aromen und unerwünscht hohe Phenolgehalte

Zu niedrige Säurewerte, Weißweine bitter, ziehend, stumpf, kurz

Erheblich geminderte Reservestoffeinlagerung



Wie sieht Stress aus und wann und wie viel sollte bewässert werden?

Nachdem aufgrund unterschiedlicher Niederschläge und stark schwankendem Wasserspeichervermögen der Böden der verfügbare Wassergehalt eines Standortes insbesondere auch von der Bodenbewirtschaftung abhängt, sind allgemeine Empfehlungen nur sehr bedingt geeignet. Auch die aktuelle Ermittlung des für die Rebe verfügbaren Wassergehaltes über Messungen im Boden oder der Bestimmung des Blattwasserpotenzials ist für den Praktiker nur mit großem Aufwand möglich.

Es bietet es sich deshalb an, die Rebe selbst als lndikator zu nutzen: Welkeerscheinungen an den Blättern in der Mittagszeit, beginnende Laubverfärbung und Laubfall in der Traubenzone, vorzeitiger Wachstumsabschluss, Strecken junger Rankenspitzen, Vergilben und Abfallen jüngerer Ranken und Stagnation der Beerenentwicklung sind untrügliche Zeichen für Trockenstress. Für den Praktiker ist es dabei wichtig zu wissen, dass die Rebe eine hohe „Leidensfähigkeit" besitzt, ohne wirklich im Sinne der späteren Weinqualität Schaden zu erleiden. Einen Teil dieser Leidensfähigkeit sollte sich auch der Weingärtner zu eigen machen.

Wer schon beim ersten Anzeichen bewässert, macht mehr falsch als richtig.

Um vor allem die Qualität und weniger die Menge zu fördern, ist erst ein deutlicher Stress zur Auslösung der Umsteuerung hin zur Bevorzugung der generativen Organe zuzulassen. Anschließend sollte in kleineren, häufigen Gaben von maximal 10 - 12 l pro Tropfer entsprechend 4 - 5 l/m² alle 3 - 4 Tage bewässert werden, um die fortlaufende Assimilation aufrecht zu erhalten und den Stoffwechsel in Richtung generative Organe (Trauben, Knospen) und weniger in die Richtung vegetativer (Holzproduktion) anzukurbeln. Bei dieser Vorgehensweise ist die Gefahr von Nachteilen durch nachfolgend natürliche Niederschläge wesentlich geringer. Je länger in den Spätsommer hinein bewässert wird, um so geringer sollten die Gaben sein. Dabei ist mit Ausnahme des Trollingers bei Rotweinsorten ein wesentlich höheres Stressniveau anzustreben als in der Weißweinproduktion. In Übersicht 4 sind die Wirkungen optimaler Wasserversorgung zusammengefasst.

Für eine ausreichende Versorgung der Rebe reicht es aus, wenn nur ein kleiner Bereich des Bodens (Unterboden oder der Wurzelraum im Bereich eines Tropfers) mit aufnehmbarem Wasser versorgt ist. Hier ist dann auch eine ausreichende Nährstoffbereitstellung gegeben und kann durch die extrem hohe Wurzelspitzendichte genutzt werden.

Übersicht 4: Angepasste und an den Rebstadien orientierte Wasserversorgung (moderater Stress bei Weißweinsorten, stärkerer bei Rotweinsorten)  ermöglicht

Hohe Wassernutzungseffizienz

Begrenzte Laubfläche und Holzmenge

Verlängerung der Assimilationsfähigkeit der Blätter

Stoffproduktion in hohem Umfang zugunsten der generativen Organe

Verfrühung von Wachstumsabschluss sowie Reifebeginn

Hohe Umwandlungsrate in wertgebende Inhaltsstoffe

Nur geringe Mengensteigerung, kleinere Beeren

Höhere Mostgewichte

Höhere Aminosäuregehalte, saftige Weißweine

Mehr Aroma, Farbe, Phenole, höhere Extraktwerte

Harmonische Säuren

Gute Reservestoffeinlagerung und Stressfestigkeit im Folgejahr



Zusammenfassung: weniger ist oft mehr

Die Bewässerung ist bei optimaler Anwendung gerade in guten Jahren und herausragenden Lagen ein geeignetes Instrument zur Sicherung und auch Steigerung der Weinqualität sowie zur Erhaltung der langfristigen Leistungsfähigkeit der Rebe. Sie kann erheblich zur Verbesserung der Rentabilität beitragen und richtig eingesetzt die Erzeugung von Spitzenprodukten sichern oder sogar erst ermöglichen. Umgekehrt birgt dieses Instrument die große Gefahr der Mengensteigerung in sich. Um diese Gefahr abzuwenden, ist die Kenntnis der physiologischen Reaktionen der Rebe eine wichtige Grundlage.

Wie in anderen Bereichen, ist auch bei der Zusatzbewässerung weniger oft mehr!

Oft sind nur einige Prozent der Rebfläche eines Betriebes, d. h. die besten, trockenen Lagen in einzelnen Jahren im Sinne der Qualitätssicherung wirklich bewässerungsbedürftig. Bei allen übrigen Flächen - auch Grenzflächen, was den Wasserhaushalt angeht - ist es einfacher und kostengünstiger, mittels geeigneter Bodenpflege einschließlich Humuszufuhr und/oder Abdeckung für eine ausreichende Wasserverfügbarkeit zu sorgen.

In Anlehnung an ein Referat anlässlich der Ehemaligenfortbildungsveranstaltung am 27.02.2003 an der LVWO Weinsberg

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