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Entblätterung der Traubenzone

Pflanzenphysiologische Aspekte- Ergebnisse aus Versuchen


R. Fox
LVWO Weinsberg

 

 

Ausgeprägtes, sortencharakteristisches Aroma aber auch kräftige Farbe bei Rotwein sind "in" beim Verbraucher. Beides setzt gut belichtet herangewachsene, gesunde Trauben mit optimalen Aroma- Farbstoff- und Phenolgehalten bei möglichst spätem Lesetermin voraus.

 

Physiologische Aspekte

 

Nachdem die wertgebenden Inhaltsstoffe Aroma, Farbe und Phenole unmittelbar in der Schale gebildet werden und gute Belichtung hierzu förderlich ist, ist gezielte Entblätterung als gestaltendes Element in diesem Sinne vor allem bei Rotwein sehr effizient- siehe Abbildungen 1 und 2. Wie am Kurvenverlauf in Abbildung 1 - durchschnittlicher Septembertag - ersichtlich unterscheiden sich die Temperaturen der Beerenhäute an belichteten Beeren gravierend von denen im Schatten. Das diese höheren Temperaturen im unmittelbaren Bereich unter der Schale zu höherer Farbausbildung beträgt zeigt Abbildung 2. An der Ansatzstelle der Beere, die keine direkte Sonnenstrahlung empfängt und damit "kälter" bleibt, ist eine weniger gute Verfärbung erkennbar. Ähnlich verhält es sich dies bei den mit den Farbpigmenten nahe verwandten Phenolen sowie auch den Aromen.

 

Abbildung 1: Temperaturverlauf in Sonnen- und Schattentrauben bei Riesling im September

 

 

 

Abbildung 2: Ort der Aroma-, Farb- und Phenolsynthese ist die Beerenhaut. Vor allem der gut belichtete Anteil

 

Eine lockere Laubwand dient nicht nur der Verbesserung der Belichtung, sondern auch der Belüftung und Abhärtung und v e r ä n d e r t über die höheren Temperaturen in dem belichteten Anteil der Beerenschale d e n S t o f f w e c h s e l. Die Abhärtung der Beerenhaut ist mit eine der wichtigsten Voraussetzungen, um möglichst spät lesen zu können und damit das jahrgangs- und lagebedingt Maximale an Qualität zu gewinnen. Zeitige Auslichtung der Traubenzone ‑ etwa ab abgehende Blüte bis kurz nach Schrotkorngröße ‑ führt über die zu diesem Zeitpunkt noch "lebenden" und damit reaktionsfähigen Epidermiszellen "zu besonders ausgeprägtem Abhärtungseffekt" und später zu wesentlich geringerem Botrytisbefall wie langjährige Versuche belegen. Aus Abbildung 3 geht eindeutig hervor, dass frühere Entblätterungstermine eine bessere Wirkung gegen den Schwächeparasit Botryits haben als spätere. Ab etwa Erbsengröße verlieren die Epidermiszellen zunehmend ihre "Reaktionsfähigkeit" auf äußere Reize, d. h. der Abhärtungseffekt wird zunehmend geringer.

 

Abbildung 3: Botrytisbefall in Abhängigkeit vom Entblätterungstermin

 

 

Gute Belichtung bereits in frühen Beerenentwicklungsstadien ‑ kurz nach der Blüte bis spätestens Erbsengröße ‑ fördert die Reaktionsfähigkeit der Zellen/des Enzymsystems insgesamt in der Beerenhaut und damit neben der Abhärtung auch die Bildung der Vorläufersubstanzen von Aroma, Farbe und Phenolen. Die verbesserte Laubwandstruktur in der Traubenzone führt zusätzlich zu einer wesentlich besseren Applikationsqualität, d. h. die Pflanzenschutzmittel gelangen auch dorthin, wo sie wirken sollen. Einer der Hauptvorteile der Entblätterung ist deshalb der sehr ausgeprägte phytosanitäre Effekt. Den in der Praxis gefürchteten Sonnenbrandschäden wird durch frühe Termine vorgebeugt. Bei auftretendem Hagel muss jedoch mit größeren Schäden gerechnet werden.

 

Ergebnisse aus den Jahren 2004 und 2005

 

In einer Clevner-Anlage mit Schrägbogenformierung wurden neben dem Vergleich die Varianten Handentblätterung sowie Maschinen verschiedener Bauarten in zwei Intensitätsstufen kurz nach der Blüte (23.06.) eingesetzt ‑ siehe Abbildung 4. Der aufrechte Wuchs der Sorte ließ in Verbindung mit vorausgehenden guten Heftarbeiten ein nahezu optimales Entblättern in der Traubenzone zu. Kurztriebe waren ebenso kaum vorhanden wie heraushängende oder schrägstehende Triebe. Die "Entblätterungsintensität" in der hohen Intensitätsstufe lag bei Handentblätterung zwischen 2,6 und 4,2, bei den maschinellen Verfahren zwischen 1,4 bis 2,3 Blättern/Trieb. Das teilweise "Einkürzen" der Trauben bei den maschinellen Verfahren ist in diesem frühen Entwicklungsstadium eher als erwünscht einzustufen und trägt seinerseits über die lockereren Trauben zu geringerer Botrytisanfälligkeit bei.

 

Abbildung 4:Maschinell optimal entblättere Reben

 

 

Die frühe, kräftige, beidseitige Entblätterung hat sich verbessernd auf den Biegsamkeitsindex (Biegbarkeit der jungen Trauben), tendenziell reduzierend auf die Einzelbeerengewichte, jedoch verstärkt reduzierend auf die Traubengewichte ausgewirkt ‑ siehe Abbildung 5. Entsprechend geringer war der später ermittelte Botrytisbefall. Hierbei war der Wirkungsgrad der Entblätterung in allen Varianten sehr hoch.

 

Abbildung 5: Einfluss der Entblätterung auf den Biegsamkeitsindex, das Einzelbeerengewicht und das Traubengewicht

 

 

Im Ertrag lag parallel zu den kleineren Beeren sowie der geringeren Traubengewichte gegenüber dem Vergleich eine leichte Minderung, im Mostgewicht ein gleich hohes Niveau vor  -  siehe Abbildung 6. Die Ergebnisse des 2. Versuchsjahres waren sehr ähnlich.

 

 

 

In einem Versuch bei Spätburgunder, Klon Samtrot im Jahr 2005 konnten in den entblätterten Varianten ebenfalls leicht geringere Erträge, gleiche Mostgewichte jedoch deutlich geringere Säuren ermittelt werden- siehe Abbildung 7. Die am intensivsten entblätterte Variante - hier nicht dargestellt - hatte dabei eindeutig die niedrigste Mostsäure. Dies unterstreicht die Wirkung der besseren Traubenbelichtung auf den Stoffwechsel. Bei frühreifen Weißweinsorten wie z. B. Müller-Thurgau wäre dies eher als unerwünscht einzuordnen.

 

Abbildung 7: Einfluss der Entblätterungsverfahren (Hand, Maschine) auf den Ertrag, das Mostgewicht und den Säuregehalt bei Blauem Spätburgunder

 

 

Auswirkungen auf den Wein

 

Wie aus Abbildung  8 hervor geht, stiegen die bei Rotwein besonders stark qualitätsprägenden Inhaltsstoffe: zuckerfreier Extrakt, Gesamtphenole, und Farbsumme durch die Entblätterung sehr deutlich an. Der Wein aus der entblätterten Variante war optisch schon wegen seiner deutlich dunkleren Farbe als wertigerer Rotwein erkennbar- siehe Abbildung 9 sowie Abbildung 10. Wie dem Netzdiagramm ‑ Abbildung 9 ‑ zu entnehmen ist, wurde er bei der deskriptiven Verkostung in den positiven Attributen Brombeere, Phenolharmonie sowie Nachhaltigkeit/Körper gegenüber dem Vergleich als deutlich besser eingestuft und erhielt folglich auch im Rang eine bessere Stellung. Ähnliche Ergebnisse konnten auch 2005 erzielt werden.

 

Abbildung 8: Auswirkung der Entblätterung auf qualitätsprägende Inhaltsstoffe bei Rotwein

 

Abbildung 9: Ergebnis der deskriptiven Verkostung bei Vergleich sowie Entblättert

 

 

Sortenspezifische Vorgehensweise angesagt

 

Nachdem vor allem bei Rotweinsorten die Entblätterung weit überwiegend Vorteile ergibt, stellt diese Maßnahme ein wichtiges "gestaltendes Element" im Sinne

optimaler (Rot-)Weinqualität dar und sollte deshalb gezielt genutzt werden. Da auch bei Weißweinsorten durch die Entblätterung höhere Beerentemperaturen entstehen, kann es dort bei intensiverem Eingriff zu unerwünscht starkem Äpfelsäureabbau sowie Aromenveränderung, weg vom Sortentyp, kommen. Bei spätem Termin kann über die geminderten Aminosäurewerte im Most die Neigung zu untypischer Alterungsnote zunehmen oder auch die Entstehung eines Kerosintones gefördert werden. Deshalb sollte bei den Sorten Müller-Thurgau, Muskateller, Traminer, Silvaner, Riesling, wie auch dem Sauvignon blanc eher weniger stark sowie vor allem von der Ostseite her ausgelichtet werden. Gleiches trifft für den sonnenbrandempfindlichen Trollinger zu. Ausnahmen bei den Weißweinsorten sind Grauburgunder, Weißburgunder und Chardonnay, die durchaus ebenfalls frühzeitig und kräftig ausgelichtet werden können, ohne im Sortentyp "zu verlieren".

Um Nachteile in Richtung Weinqualität und Sonnenbrandgefährdung zu vermeiden, ist auf jeden Fall der Zeitraum bis spätestens Erbsengröße einzuhalten. Spätere Termine wirken sich kaum noch abhärtend auf die Beerenhaut aus und ergeben praktisch keine Vorteile gegenüber Botrytis.

 

Abbildung 10: Farbunterschiede im Wein: Der Wein im linken Glas stammt aus Flächen,
die nicht entblättert wurden, der Wein im rechten Glas dagegen aus entblätterten Parzellen

 

Fazit:

 

Die Entblätterung stellt ein wichtiges, gestaltendes Element im Sinne der Weinqualität dar. Termin- und sortengerecht angewendet, ergeben sich erhebliche Vorteile, was Aroma, Farbe und Phenole, Säureharmonie und Sortentypizität angeht. Kann aufgrund besseren Gesundheitszustandes später gelesen werden, so ergeben sich weitere Qualitätsvorteile. Gesundes Lesegut ergibt zusätzliche Vorteile für Verarbeitung sowie den Ausbau des Weines. Der Wehrmutstropfen Zeit- und Kostenaufwand, gerade während der sommerlichen Hauptarbeitsspitze, wird durch bessere Weinqualitäten und Einsparung bei der manuellen Ernte zumindest neutralisiert oder ins Gegenteil verkehrt.

Entblätterung bringt Farbe und Aroma ins Glas und steigert damit das Genusserlebnis.

 

 

 

 

 

 

 

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