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Essigfäule, Penicillium und Co.

Staatliche Lehr und Versuchsanstalt 
für Wein- und Obstbau Weinsberg
Dr. W. K. Kast
E-Mail: walter.kast@lvwo.bwl.de

Verbreitung und Bedeutung

Als Fäulniserreger an reifenden Traubenbeeren kommen eine größere Zahl von Pilzen, Hefen und Bakterien in Frage. Im wesentlichen handelt es sich um Erreger, die sich auf mechanisch verletzten oder aufgeplatzten Beeren oder Beeren, die sich bei kompakten Trauben während der Reife vom Blütenboden abdrücken, ansiedeln. Oft entwickeln sie sich sekundär nach Befall durch Botrytis oder Oidium.

Bei der Weinbereitung verursachen sie wesentlich größere Probleme als Botrytis. Bereits ein sehr geringer Anteil befallener Beeren (unter 1 %) ist später im Wein sensorisch deutlich wahrnehmbar. Die Weine werden als unsauber, schimmelig oder muffig sowie bitter charakterisiert. Eine starke Besiedlung der Trauben durch unerwünschte Hefen und Bakterien erschwert die Weinbereitung. Der Gehalt an unerwünschten Stoffwechselprodukten dieser Mikroorganismen, insbesondere an Essigsäure, ist erhöht und kann während der Gärung noch zunehmen, wenn Most oder Maische nicht pasteurisiert werden. Es besteht die Gefahr, dass der Wein nach Essig riecht oder der gesetzliche Höchstwert für flüchtige Säure (Essigsäure) überschritten wird. Die in Mitteleuropa verbreitetsten Erreger sind Penicillium Spezies, Rhizopus Spezies, Hefearten, insbesondere Apiculatus-Hefen (Kloeckera apiculata) sowie Bakterien (Acetobacter-Spezies).

Schadbild

Penicillium-Arten

Auf mechanisch verletzten Beeren (Hagel, Fraß durch Wespen, Vögel, Feldmäuse) oder auf Beeren, die durch hohen Innendruck aufgeplatzt sind oder sich bei kompakten Trauben vom Stilgerüst abgedrückt haben, entwickelt sich ein dichtes, anfänglich weißes Myzel, das später, mit einsetzender Sporulation eine grau-grüne Farbe annimmt. Die befallenen Beeren verfärben sich hellbraun wie Milchkaffee. Bei feucht-warmer Witterung greift der Erreger von dort aus auch auf unverletzte Beeren über.

 

Penicillium-Mycel auf einer Traubenbeere

 

Rhizopus- Arten

Ähnlich wie bei Botrytis entwickelt sich ein nestförmiger Befall. Ausgehend von primär befallenen Beeren greift der Erreger auf gesunde Beeren über. Die befallenen Beeren verlieren sehr rasch ihre Struktur, sie werden breiig. Die Sporenträger des Erregers sind schwarz. Befallene Trauben riechen muffig.

 

Durch Rhizopus befallene Traube

 

Rosafäule (Trichothecium roseum)

Auf frühzeitig vor oder bei Reifebeginn von Botrytis befallenen Trauben wächst ein weißlich-rosa-farbenes Myzel. Der befallene Teil bildet langfristig eine trockene Mumie.

 

Durch Thrichothecium befallene Traube

 

Essigfäule

Nestförmig sich über Kontaktstellen auch auf gesunde Beeren ausbreitend, verfärben sich die Beeren rotbraun. Die Beeren werden innerlich sehr rasch hohl, während die Haut noch eine intakte Beere vortäuscht. Es tritt ein intensiver Essiggeruch auf. Häufig befinden sich Essigfliegen (Drosophila melanogaster) an den Trauben und deren Larven (ca. 2mm große, weiße Maden) sind in den am längsten befallenen Teilen zu finden.

 

Schadbild der Essigfäule

 
Verwechslungsmöglichkeiten

Verwechslungsgefahr besteht insbesondere mit Botrytis. Rhizopus-Befall unterscheidet sich in der Farbe der Konidienträger (schwarz, bei Botrytis grau-braun). Penicilliumbefall kann in frühen Entwicklungsstadien ebenfalls mit Botrytis verwechselt werden. Bei Penicilliumbefall ist sehr früh ein weißes, später grünes, Myzel an der Oberfläche der Verletzung sichtbar. Später verfärben sich ganze Beeren hellbeige bis grau. Essigfäule ist eindeutig am Geruch festzustellen. Beachtet werden muss, dass die Erreger oft zusammen mit oder als Folge von Botrytis auftreten.

Biologie

Alle genannten Fäulniserreger leben überwiegend saprophytisch (von totem Material) und sind auch auf der Oberfläche gesunder Beeren häufig nachzuweisen. Ihre Pathogenität ,d.h. ihre Fähigkeit zur Auslösung einer Krankheit ist normalerweise relativ gering. Schäden setzen deshalb in der Regel Verletzungen oder abgestorbene Teile (Nekrosen) an Beeren oder Stielen voraus.

Bei einer starken Vermehrung auf abgestorbenen Gewebeteilen können die Erreger auch gesunde Zellen abtöten. Nach längerem Wachstum des Botrytispilzes entwickeln sich in den zerstörten Beeren zusätzlich andere Pilze, wie Rhizopus- und Trichothecium-Arten sowie Hefen und Bakterien. Wichtigste Verletzungsursachen sind an den Trauben fressende Insekten (z. B. Traubenwickler, Wespen), Mehltaubefall, mechanische Verletzungen, z. B. durch Hagel oder physiologische Schäden (Stiellähme, Sonnenbrand, Bacchus-Krankheit). Es genügen jedoch auch schon mikroskopisch kleine Risse in der reifen Beere. Solche Risse entstehen durch hohe Niederschläge bei kompakten Sorten am Beerenansatz durch den gegenseitigen Druck der Beeren, bei dünnschaligen Sorten mit zunehmender Reife auch an anderen Stellen der Beerenhaut. Bei kalter Witterung entwickelt sich in der Regel Botrytis, bei feuchtwarmer Witterung dagegen Penicillium und Essigfäuleerreger. Häufig kommen dabei verschiedene Mikroorganismen vergesellschaftet vor (Hefen, Bakterien). Auf Beeren, die von Essigfäule befallen sind, siedeln sich gerne Drosophila-Fliegen an, deren Larven die innerlich gärenden Beeren ausfressen. Die Fliegen tragen zur weiteren Ausbreitung der Mikroorganismen bei.

Maßnahmen

Die Besiedlung verletzter, reifer Beeren durch die o.a. Mikroorganismen kann durch den Einsatz von Fungiziden nicht verhindert werden. Alle Maßnahmen können sich nur vorbeugend gegen das Entstehen der Verletzungen richten. Hierzu zählen insbesondere die Verhinderung von Traubenwickler- und Oidiumbefall so wie Maßnahmen gegen frühzeitiges Auftreten von Botrytis und eine sachgerechte, frühzeitige Entblätterung der Traubenzone.

Ein wichtiges Ziel ist auch die Verringerung der Beerengröße, um das Abreißen der Beeren an der Ansatzstelle zu vermeiden. Letzteres kann tendenziell durch Maßnahmen reduziert werden, die zu starkes Wachstum verringern (weniger Stickstoff, Begrünung). Muss eine Ertragsregulierung durchgeführt werden, sollte diese möglichst spät (bei Reifebeginn) vorgenommen werden, da bei frühzeitiger Ertragsreduktion die verbleibenden Trauben größer und kompakter werden. Um das Abdrücken der Beeren bei kompakten Sorten zu vermeiden, hat sich auch das Halbieren von Trauben (vor dem Weichwerden) als ertragsregulierende Maßnahme bewährt.

Wenn reife Trauben verletzt werden, aufplatzen oder sich an den Beerenansatzstellen abdrücken, müssen die Trauben so rasch wie möglich geerntet werden. Essigfaule Trauben sowie von Penicillium, Trichothecium oder Rhizopus befallenes Lesegut muss konsequent ausgelesen werden.

 

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